von Klara Tannert (11e), Leonhard Killian (Video, 11e), Andreas Müller, StR CBG
am 7. Juli 2024
Im Zentrum der Fahrt stand aber nicht nur der Besuch einer polnischen Großstadt an der Ostsee. Der Kurs hat sich zuvor in Kleingruppen mit ausgewählten Themenfeldern zur deutsch-polnischen Geschichte im Zusammenhang mit Danzig und Preußen auseinandergesetzt. Und dies sollte im weiteren Verlauf immer wieder thematisiert und kritisch hinterfragt werden.
Am Samstagmorgen begann die Reise in Erkner. Zwischenstationen unserer Bahnreise waren Frankfurt (Oder) und Posen, bis der Zug schließlich um 18:40 Uhr im Hauptbahnhof Danzig einfuhr. Dort wartete bereits unser Reiseführer, der uns freundlich begrüßte und zum Hotel, einer ehemaligen Kaserne, begleitete. Am Abend ging es dann noch kurz in die Stadt – über die Speicherinsel, den Langen Markt und die Langgasse bis an den Heumarkt heran. Dabei standen zunächst einmal Orientierung, Geldumtausch und Abendbrot im Fokus.
Andreas Müller: Nach einem deftig polnischen Frühstück mit Würstchen stand eine umfangreiche Tour durch die Danziger Altstadt auf dem Plan. Bei der vierstündigen Tour waren wir kreuz und quer unterwegs. Zunächst verfolgten wir den Ausklang einer katholischen Messe, um im Anschluss die Rekonstruktion der im Zweiten Weltkrieg beschädigten St. Barbarakirche mit den markanten Kirchenfenstern in Augenschein zu nehmen. Unser Weg führte daraufhin zur Speicherinsel, die ihr Gesicht in den vergangenen Jahren sehr verändert hat. Über das Grüne Tor kommend reihten wir uns in den Touristenstrom ein und gelangten nach einer kleinen Eispause zur gewaltigen Marienkirche, in der wir noch die Ausklang eines Konzerts sowie zur vollen Stunde das Figurentheater einer astronomischen Uhr verfolgen konnten.
Nach einer längeren individuellen Mittagspause kamen wir für den Besuch des Museums der Freien Stadt Danzig wieder zusammen. Das kleine Museum vermittelt mit seinen zahlreichen Exponaten einen liebevollen Eindruck des deutschen Lebens in den Jahren 1920 bis 1939, einer Zeit, in der die Stadt als teilsouveräner Freistaat unter dem Schutz des Völkerbundes stand. Zuletzt war an diesem Tag jedoch ein gemeinsamer Kraftakt angesagt: Für den Blick über die Stadt kehrten wir zur Marienkirche zurück und erklommen die 409 Stufen zur Aussichtsplattform auf dem Turm. Die Herausforderung waren hierbei weniger die Höhenmeter, als vielmehr die schmalen, steinernen Wendeltreppen. Zuletzt werteten wir die Erfahrungen des Tages in einem Gespräch am Fuße der Kirche aus.
Klara: Nach dem kleinen Malheur mit unserem ersten Tagesziel fanden wir schnell Ersatz in einem Besuch des sehenswerten städtischen Postamtes, in dem viele von uns Post- und Ansichtskarten für unsere Familien kauften. Bis zur Öffnung des Rathauses von Danzig mussten wir dann allerdings noch eine gute Dreiviertelstunde warten und wurden währenddessen frei in die Stadt entlassen, um uns dort nach Lust und Laune umzutun. Nachdem wir uns um zwölf Uhr wieder am Eingang des Rathauses getroffen hatten, besuchten wir die Ausstellung im Gebäude selbst. Dort gab es allerlei zu entdecken, unter anderem (vermutlich) originale oder zumindest originalgetreue Einrichtungsgegenstände und Werkzeuge aus den vergangenen Jahrhunderten. Und als Lohn für die 300 Stufen, die man steigen musste, hatten wir vom Turm des Rathauses einen hervorragenden Ausblick über die Stadt, mit einer angenehm kühlen Brise.
Danach ging es für uns alle erst einmal zum Mittagessen, wofür sich das Tutorium wieder in alle Himmelsrichtungen zerstreute. Nächster Treffpunkt: Eingang der Marienkirche, um dann von dort aus gemeinsam zum Europäischen Zentrum Solidarność zu gehen. Dies fiel zuerst durch seine interessante Außenhülle auf, die scheinbar rostigen Stahlplatten als Anlehnung an die Stahlplatten, aus denen die Schiffe der Werft gebaut wurden. Über einen kurzen Umweg betraten wir das Zentrum dann auch und nahmen den Aufzug auf das Dach, um uns einen besseren Überblick über das Gelände zu verschaffen, auf dem die Proteste gegen das damalige System in den 1970er Jahren begonnen hatten. Unser Reiseführer glänzte mit Hintergrundwissen und fungierte gleichzeitig als Zeitzeuge, der als Student selbst auf der Werft gearbeitet hatte. Dies erlaubte natürlich einen noch tieferen und persönlicheren Blick auf die Dinge und rückte einige Exponate und ihre Hintergründe in ein ganz anderes Licht. Doch am Ende des Tages mussten wir leider Abschied nehmen, denn morgen wird unser Danziger Reiseführer uns nicht mit zur Marienburg und ins KZ Stutthof begleiten.
Rückblickend war der Tag, wenn auch ziemlich anstrengend, sehr schön und wir konnten die Methoden zur Quelleneinordnung, die wir im Unterricht wieder und wieder hoch und runter geübt hatten, auch mal „in Natur“ nutzen und Historisches kritisch hinterfragen.
Andreas Müller: Nach einer kleinen Änderung im Tagesprogramm erkundeten wir zunächst entlang der Stadtmauer die Zeugnisse polnischer Geschichtskultur in Danzig. Die systematische Erfassung und Deutung eines kommunistischen Denkmals und seiner unbekannten Bildsprache stellte die erste Herausforderung dar. Aber erst einmal aufgewärmt bewiesen die Schüler ihr Können. Deshalb war es im Folgenden möglich, dass sie ihrem Tutor und seiner Begleitung, Anke Elster, ein weiteres Denkmal, diesmal aus dem Jahr 2010, vorstellen konnten. Wichtig war es hierbei, die Intentionen des Künstlers sowie die Botschaft der Statue zu erschließen. Am Mittag rückte erneut die unmittelbare Danziger Geschichte in den Fokus: Hier bot das Rechtstädtische Rathaus nicht nur einen vertieften Blick auf das Leben in der Freien Stadt Danzig, sondern ebenso in die Konstruktion von historischen Narrativen: Ein Rathaussaal mit vermeintlich jahrhundertealten, in Wahrheit allerdings nur historisierenden Gemälden aus den 1990ern hinterfragten wir kritisch die Darstellung vor Ort und sammelten interessante Befunde über das Wesen der Geschichte.
Nach einem Rundumblick vom Turm des Rathauses ging es in die wohlverdiente Mittagspause. Ihr folgte eine intensive Erkundung des Europäischen Zentrums Solidarność – mit unserem charismatischen Experten und vormaligen Stadtführer Darko Naduk. Er führte uns diesmal über das Werftgelände und durch das moderne Gebäude mit seiner faszinierenden Ausstellung rund um den Aufstand der Danziger Werftarbeiter und die Volksaufstände im Ostblock. Besonderen Reiz entfaltete das außergewöhnlich breite und vielfältige Angebot durch die Erzählungen Naduks, der als junger Mann vor Ort gewesen und selbst mit der Polizei aneinandergeraten war
Klara: Heute ging es für unser Tutorium nach dem Frühstück zu einer Führung durch das Konzentrationslager Stutthof. Zwar musste diese wegen eines Verkehrsstaus bei der Anreise etwas verschoben werden, dennoch regten die vielen noch originalen Gebäude sehr zum Nachdenken an. Besonders der Gang durch die ehemaligen Häftlingsbaracken, begleitet von den Bildern der dort Festgehaltenen und Verstorbenen, war ein Ereignis, das auch noch während der nachfolgenden Busfahrt zur Marienburg nachhallte.
In der Burg unternahmen wir einen relativ freien Rundgang mit den geliehenen Audioguides und konnten nach den ernsthaften Szenen des Konzentrationslagers wieder etwas entspannter in die Geschichte dieser mittelalterlichen Burg eintauchen. Besonders die hohen Gewölbe und zahlreichen Wandreliefs verkörperten den imposanten Lebensstil des Hochmeisters und seiner Ordensritter. Man konnte durch die alten Wohnstuben und Privaträume der einzelnen Personen flanieren und sich nebenbei, geleitet von der Stimme des Audioguides, ausmalen, wie es gewesen sein musste, auf so einer Burg zu leben.
Andreas Müller: Für diesen Dienstag stand uns ein angemieteter Kleinbus zur Verfügung, um die Strecken im Umland schnell und unkompliziert zu überbrücken. Die Verkehrslage machte das jedoch nicht ganz so einfach. Schließlich angekommen begaben wir uns zügig mit unserem Betreuer auf das Gelände des KZ, das unweit der Ostsee liegt. Anfangs zur Internierung eingerichtet, wurde Stutthof zum Ende des Krieges nach heutiger Einschätzung als Vernichtungslager genutzt. Von den insgesamt 110.000 Insassen verloren 65.000 ihr Leben. Entsprechend verebbte bald nach dem Vordringen auf das Gelände der Austausch in unserer Gruppe, gelegentlich wurden noch Verständnisfragen gestellt. Die Eindrücke und Informationen entfalteten eine bedrückend verstörende Wirkung, vom Bock, auf dem Häftlinge ausgepeitscht wurden, einem Berg herrenloser Schuhe, dreistöckigen Pritschen, die bei 90cm Breite gleich drei Menschen je Etage aufnehmen mussten, bis hin zu Menschenversuchen. Die Führung brachte all das näher, was sonst nur abstrakt im Unterricht thematisiert werden kann. Stille wurde zusehends unser Begleiter auf dem Weg zur Gaskammer und den drei Öfen der Krematorien. Unser Betreuer Jan führte feinfühlig und kenntnisreich durch das Areal, ohne zu überwältigen – das sinnliche Erfahren tat das Übrige. Nach der Verabschiedung zogen wir als ein in sich gekehrter, stiller Zug die Lagerstraße zum Ausgang entlang, vereinzelt das Unbegreifbare besprechend.
Die Fahrt zur Marienburg brachte die nötige Zeit, sich wieder zu finden. Die größte Backsteinfestung der Welt, das Zentrum des Deutschen Ordens, erstreckte sich am Ufer der Nogat plötzlich majestätisch zu unserer Linken. Ein Audioguide leitete uns dort auf angenehm plastische Weise durch die gewaltige Anlage, deren Ausmaße für ein Bauwerk des Mittelalters kaum vorstellbar sind. Erhaltene Toiletten zeugen von den hervorragenden hygienischen Bedingungen seinerzeit, die Fußbodenheizung in zentralen Räumen verblüffte, ebenso das moderne Verwaltungsnetz des Ritterordens. Letztlich erschütterte die Marienburg die Vorstellung eines dunklen Mittelalters auf erfreuliche Weise. Um diese Anlage jedoch gänzlich zu erfassen, wäre sicherlich ein ganzer Tag zum Erkunden, Verweilen und Genießen angeraten gewesen. Zurück in Danzig trennten sich unsere abendlichen Wege, wobei nun das EM-Spiel Frankreich gegen Spanien seinen Schatten auf die Abendgestaltung zu werfen schien.
Eindrücke: Die Marienburg thront oberhalb der Nogat und ist sicherlich die imposanteste Ordensburg.
Andreas Müller: Der morgendliche Aufbruch zum Ostseestrand gestaltete sich holprig: Der Fahrkartenautomat war defekt, die entsprechende App nicht installiert und beim Fahrer konnte man nicht einfach wie daheim bezahlen. Letztlich hat es aber funktioniert, sodass wir mit dem Bus zum Baden fahren konnten. Bei schönstem, fast zu intensivem Sonnenschein machten wir uns einen schönen (halben) Tag am Meer, egal ob in Sand oder Wasser.
In der zweiten Tageshälfte, einem angekündigten Gewitter Rechnung tragend, ging es zurück in die Stadt. Als verkleinerte Gruppe, das hochsommerliche Wetter hatte seinen Tribut gefordert, brachen wir schließlich zum letzten Bildungsbaustein der Reise auf. Im Museum des Zweiten Weltkriegs erlebten wir eine Ausstellung, die man sich in ihren Ausmaßen so kaum hatte ausmalen können. Schier endlos und umfassend mutete der Ritt durch die Jahre nach dem Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges an – von der „Geburt und Ausbreitung des Totalitarismus“ bis zum Übergang in den Kalten Krieg. Das ausgestellte Panorama lässt sich in dreieinhalb Stunden eigentlich gar nicht vollends erfassen. Dennoch bereicherte diese Dauerausstellung die unterrichtlichen Inhalte des aktuellen Semesters auf ganz besondere Weise.
Der letzte Abend in Danzig galt einem gemeinsamen Pizzaessen, das gleichzeitig zur Flucht vor dem Regen wurde, der nun über die erhitzte Stadt hereingebrochen war. In entspannter und gelockerter Atmosphäre vollzog sich hier ein gelungener Ausklang für eine vielfältige Reise. Am nächsten Morgen sollten wir die Heimreise mit der Bahn gen Erkner antreten.
Ich danke dem Schulförderverein des CBG und dem Schulamt für die freundliche Unterstützung und Förderung unserer Tutoriumsfahrt.
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